Die ägyptische Lamarckii-Biene

Die ägyptische Lamarckii-Biene apis mellifera lamarkii

Als Information über die Besonderheiten und die Geschichte der ägyptischen Lamarckii-Biene soll ein Interview mit Günter Friedmann dienen, das Kristina Vonend für HOneyBee Online Studies (HOBOS) mit ihm geführt hat.

Weitere Infos und Bilder über das Projekt und die Lamarkii-Biene apis mellifera lamarkii finden Sie auch in einem Artikel von Günter Friedmann in „Wochenende mit der Heidenheimer Zeitung“ (zur PDF-Datei)  und natürlich im Tagebuch.

Lamarkii Biene apis mellifera lamarkii
Die klassischen Nilschlammröhren
Lamarkii Biene apis mellifera lamarkii, Ägypten
Ägyptischer Imker mit Arbeitskleidung, auf arabisch: Khamise el Ghorbal
ägyptische Lamarckii-Bieneapis mellifera lamarkii
Waben im Inneren der Nischlammröhre

Vonend: Herr Friedmann, nehmen wir an, ich möchte Bienen in Ägypten halten. Welche Beutenformen stehen mir zur Verfügung?

Friedmann:In Ägypten sind vor allem zwei Beutenformen in Gebrauch: Die Mehrzahl der Bienenvölker lebt in herkömmlichen Magazinbeuten aus Holz, bei denen die Waben beweglich sind und nach oben herausgezogen werden können, wenn der Imker seine Völker kontrolliert oder Honig erntet. Diese Bienen gehören zu den Rassen der europäischen Honigbienen (Apis mellifera ligustica bzw. carnica). Eine sehr geringe Anzahl von Bienenvölkern der indigenen Bienenrasse Apis mellifera lamarckii wird noch traditionell in Nilschlammröhren gehalten. Hierbei handelt es sich um den sogenannten Stabilbau, denn die Waben sind fest an den Innenwänden der Röhren angebaut.

Warum werden Honigbienen in Ägypten in Nilschlammröhren gehalten?

Günter Friedmann: Wesentlich für dieses Beutenmaterial ist natürlich der Nilschlamm, der vorhanden ist und leicht verarbeitet werden kann. Der fruchtbare Schlamm des Nils hat ja für Ägypten eine ganz besondere Bedeutung. Die Fruchtbarkeit des Nildeltas aufgrund der alljährlichen Überschwemmungen war legendär und kulturstiftend für dieses Land. Die Pharaonen bezogen die Legitimation für ihre Herrschaft aus der Regulation des Nilwassers zur Bewässerung. Zudem ist sicherlich die Stapelfähigkeit der Beuten ganz entscheidend: Viele Völker können auf sehr kleinem Raum untergebracht werden. Da Landwirtschaft in Ägypten früher nur im Niltal betrieben wurde, war Grund und Boden knapp.

Die Lamarckii-Biene ist die ägyptische Biene schlechthin, eine Urform, die im Niltal heimisch ist. Seit wann werden die Lamarckii-Völker in Nilschlammröhren gehalten?

Günter Friedmann: Seit mindestens 5 500 Jahren. Sie werden heute noch auf die gleiche traditionelle Weise gepflegt, wie es bereits im alten Ägypten der Fall war, sogar die Werkzeuge sind die Gleichen.

Das ist eine sehr lange Zeit. Heute ist die Lamarckii-Biene vom Aussterben bedroht. Weshalb?

Günter Friedmann: Das ist eine sehr komplexe Geschichte und würde den Rahmen des Interviews sprengen. Kurz zusammengefasst war der Einfluss amerikanischer Entwicklungshilfeexperten, sowie das Versprechen einer Erhöhung der Erträge durch den Import der europäischen Honigbienen entscheidend. Dieses Versprechen konnte auf Dauer nicht eingelöst werden, vielmehr hat diese Entwicklung zum Verfall der Imkerei in Ägypten geführt.

Ägyptische Lamarkii-Biene
Eine Wabe und das Messer (arabisch: Sadif), mit dem sie aus der Röhre geschnitten wurde.
Ägyptische Lamarkii-Biene
Der berühmte „Schöpflöffel“, arabisch: Kabsha
Ägyptische Lamarkii-Biene
Mit einem Spiegel (arabisch: Miraya) wird Sonnenlicht in die Röhre „umgeleitet“
Das runde Messer heißt auf arabisch „Khorab oder Muftah“

Wie wird mit den Nilschlammröhren geimkert?

Günter Friedmann: Die imkerliche Tätigkeit in den Röhrenbeuten ist nur sehr eingeschränkt möglich. Die Imkerei wurde sehr extensiv betrieben. In Zeiten, in denen die Bienen genügend gute Nahrungsquellen zur Verfügung hatten, klappte das auch gut, denn gesunde, gut genährte Völker brauchen wenig Pflege. Der Imker beschränkt sich auf die Honigernte und das Einfangen der Schwärme bzw. die Bildung von Ablegern aus schwarmlustigen Völkern.

Welche Werkzeuge braucht der Imker hierfür?

Günter Friedmann: Er hat eine spezielle Maske zum Schutz seines Gesichtes vor Bienenstichen; dann trockenen Mist, den er entzündet, um mit dem Rauch die Bienen von den Waben zurückzutreiben. Weiter benutzt er ein Messer mit einem langen Griff, um in den Röhren die Waben von den Wänden zu lösen. Ferner einen speziellen Bienenschöpflöffel, um für die Schwarmvorwegnahme Bienen und Königinnen aus den Völkern zu schöpfen. Denn es ist eine Besonderheit der Apis mellifera lamarckii, dass in der Schwarmzeit neben der alten Königin sehr viele junge Königinnen im Volk vorhanden sind, bevor ein kleiner Schwarm mit dann mehreren Königinnen auszieht. Wenn der Imker aus dem Inneren der Röhre Bienen geschöpft hat, ist meistens eine Königin mit dabei. Drei oder vier Schöpfkellen voll Bienen werden in eine neue Röhre gegeben – und fertig ist das neue Volk.

Das hört sich einfach an. Wie hat der Imker von außen schwarmlustige Völker erkannt?

Günter Friedmann: Daran, dass er sich vor die Beute stellte und Rufe von sich gegeben hat, die einem Quaken ähnelten. Wenn ihm junge Königinnen antworteten, wusste er, dass dieses Volk schwärmen möchte. Hineinschauen konnte er ja nicht richtig.

 

 

Die letzten Lamarckii-Völker, die es in Ägypten gibt, werden in sogenannten Top Bar Hives gehalten. Bitte beschreiben Sie diese Beutenform.

Günter Friedmann: Top Bar Hives sind Trogbeuten. Der Brutraum und der Honigraum liegen in der Horizontalen hintereinander. Der Honigraum ist fluglochfern. Sie werden auch Oberträgerbeuten genannt, denn es gibt keine Rähmchen, sondern die Waben werden im Naturbau an den Oberträgern gebaut. Die Wände sind in einem speziellen Winkel geneigt, so dass die Bienen die Waben nicht fest daran anbauen, sondern die Waben beweglich sind und vom Imker herausgezogen werden können. Das Raumvolumen unserer in Ägypten verwendeten Top Bar Hives entspricht dem der Nilschlammröhren.

Was ist an den Top Bar Hives besser als an den Nilschlammröhren?

Günter Friedmann: Bei diesem mobilen Wabenbau kann der Imker die Waben herausziehen und sich durch die Begutachtung der Waben über den Zustand der Völker informieren.

Geht es den Lamarkii-Bienen in den Top Bar Hives gesundheitlich besser?

Günter Friedmann: Das können wir noch nicht sagen, denn es fehlen uns die Vergleichsmöglichkeiten. Aber die Völker können in den Top Bar Hives besser gepflegt und gefüttert werden. Die Imkerei in Nilschlammröhren war eine extrem extensive Imkerei, mit entsprechend niedrigen Honigerträgen. Dies ging nur gut, wenn es den Bienen gut ging, dann musste der Imker außer Ernten sowieso nicht viel machen. In der heutigen Zeit, in der die intensive Landwirtschaft auch in Ägypten die Ernährungsgrundlage der Bienen weitgehend zerstört hat, können die Bienen ohne gute Pflege durch den Imker kaum überleben. So gesehen geht es den Völkern in den Top Bar Hives heute natürlich besser.

 

Seit wann sind die Top Bar Hives für die Lamarkii-Völker in Gebrauch?

Günter Friedmann: Wir hatten in Ägypten diese Beutenform in einem Museum für bedrohte Tierarten bei Asiut (Südägypten) entdeckt und waren gleich begeistert. Mittlerweile haben wir diese Beute verbessert. Sie wurde an das Klima und die ägyptische Biene angepasst.

Was soll mit den Top Bar Hives künftig bezweckt werden?

Günter Friedmann: Es ist leichter die ägyptische Biene zu pflegen und dadurch die Gefahr des Aussterbens dieser interessanten, vitalen Biene zu verhindern. Denn wir konnten entdecken, dass Apis mellifera lamarkii eine natürliche Toleranz gegenüber der Varroamilbe besitzt. In den Nilschlammröhren hat dies niemand bemerkt und alle Völker wurden einfach mit chemischen Mitteln gegen die Milbe behandelt, weil es einfach so üblich war. Weltweit gibt es nur wenige Bienenrassen, die eine solche Varroatoleranz besitzen. Durch den beweglichen Wabenbau können wir eventuell die Ursachen dieser Toleranz erforschen und durch bessere Kontrollen der Völker deutliche Selektionsfortschritte bezüglich anderer Krankheiten und der Futterversorgung machen.

Bienen sind sensible Wesen. Kann es sein, dass die Varroatoleranz der ägyptischen Honigbiene mit den Nilschlammröhren bzw. der eingeschränkten imkerlichen Tätigkeit zusammenhängt?

Günter Friedmann: Das halte ich für unwahrscheinlich. Denn auch in Europa werden viele Bienen extensiv betreut und zeigen trotzdem Varroaprobleme. Ich sehe eine Ursache für die Toleranz von Apis mellifera lamarkii in einem ausgeprägten Putztrieb, sicher auch in einer kürzeren Vedeckelungsdauer der Brut und natürlich auch darin, dass die Völker klein sind und gerne und ausgiebig schwärmen.

ägyptische Lamarckii-Biene
Schweißtreibende Arbeit unterm Zelt.